Der Norm­kun­den-Son­der­ver­trag als DIE Lösung im Strom- und Erdgas-Wettbewerb?

Wett­be­werb hat die Zahl der Ener­gie­ver­brau­cher in Norm­kun­den-Son­der­ver­trä­gen zuge­nom­men. Laut Bun­des­netz­agen­tur wur­den 2014 nur noch cir­ca 33% der Strom- und 24% der Erd­gas­haus­halts­kun­den mit Tari­fen der Grund­ver­sor­gung belie­fert. Stan­dar­di­sier­te Son­der­ver­trags-Pro­duk­te haben viel­fäl­ti­ge Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten und bie­ten – nicht zuletzt – durch fes­te Ver­trags­lauf­zei­ten einen begrenz­ten Schutz vor Kun­den­ver­lus­ten. Dabei fin­den sich Ver­trags­kon­struk­tio­nen mit fes­ten Lauf­zei­ten von z.B. 12 oder 24 Mona­ten – meist kom­bi­niert mit einer gleich lan­gen Preis­ga­ran­tie – aber auch soge­nann­te Ever­green- oder Treue­ver­trä­ge mit einer auto­ma­ti­schen Ver­län­ge­rung nach dem Ende der Min­dest­lauf­zeit; oft um 12 Monate.

Sind lauf­zeit­ge­bun­de­ne Son­der­ver­trags-Pro­duk­te DIE Lösung im Wettbewerb?

Wäh­rend vie­le Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men bereits gro­ße Kun­den­zah­len umta­ri­fiert haben, ste­hen ande­re noch vor der Fra­ge, wie sie hier vor­ge­hen sol­len. Dabei spie­len beim Erd­gas auch Über­le­gun­gen zur Kon­zes­si­ons­ab­ga­be eine Rol­le. Wor­auf kön­nen sich Ver­sor­ger ein­stel­len, wenn Sie Kun­den der Grund­ver­sor­gung oder aus so genann­ten „Treue­ver­trä­gen“ offen­siv in Son­der­ver­trä­ge mit fes­ter Lauf­zeit umta­ri­fie­ren wol­len? Fokus soll hier Zusam­men­hang zwi­schen Kun­den­ver­ständ­nis und Abwick­lungs-/Be­treu­ungs­auf­wand sein – und nicht etwa juris­ti­sche Fragen.

Unab­hän­gig von der Fra­ge, ob sich lauf­zeit­ge­bun­de­ne Ver­trä­ge für alle Kun­den­grup­pen eig­nen, kos­tet der so gewon­ne­ne befris­te­te Schutz vor Abwan­de­rung zunächst ein­mal Geld:

a) in Form eines güns­ti­ge­ren Preises,

b) durch den Auf­wand für das akti­ve Umta­ri­fie­ren per Brief und/oder Tele­fon, Wer­bung und auf der Internetseite.

c) Nicht zu ver­ges­sen das Risi­ko, einen bis­lang eher pas­si­ven Kun­den zu sen­si­bi­li­sie­ren und – unge­wollt –  einen Preis­ver­gleich zu provozieren.

Ver­ständ­nis­pro­ble­me und Risi­ken nach erfolg­rei­cher Umtarifierung

Nach Jah­ren im Grund­ver­sor­gungs- oder Treu­e­ta­rif haben sich vie­le Ener­gie­kun­den an die Unbe­fris­tung bzw. die auto­ma­ti­sche Ver­län­ge­rung gewöhnt. Haben sol­che Kun­den wirk­lich ver­stan­den, dass beim neu­en Ver­trag am Ende der Lauf­zeit eine neu­er­li­che Ent­schei­dung erfor­der­lich ist, wenn sie nicht in die Grund­ver­sor­gung zurück­fal­len wol­len? Ein Ver­ständ­nis­pro­blem, dass sich vor allem bei Erst­wechs­lern von GVV zu Son­der­pro­dukt zeigt.

Wie erzielt ein Stadt­werk die Ablö­sung eines Sonderprodukts?

Reicht es aus, den betrof­fe­nen Kun­den ein Anschrei­ben zu sen­den? Pra­xis­er­fah­run­gen zei­gen: Die Rück­lauf­quo­ten der­ar­ti­ger Anschrei­ben rei­chen häu­fig nicht aus, signi­fi­kan­te Ver­trags­zah­len abzu­lö­sen. Um ein „böses Erwa­chen“ der betrof­fe­nen Kun­den nach einem Rück­fall in die Grund­ver­sor­gung abzu­wen­den, grei­fen Stadt­wer­ke dann zum Tele­fon­hö­rer. Call-Cen­ter wis­sen, dass es bis zu sie­ben Anruf­ver­su­che „kos­ten“ kann, bis man die Betrof­fe­nen erreicht hat. Befin­den sich im abzu­lö­sen­den Ver­trag eini­ge tau­send Kun­den, kann die­se Auf­ga­be leicht die Kapa­zi­tät eines Kun­den­cen­ters überfordern.

Wenn der Kun­de nicht reagiert?

Auch mit viel Auf­wand gelingt es nicht, alle Ver­trä­ge abzu­lö­sen. Um Ver­är­ge­rung und Abwan­de­rung betrof­fe­ner Kun­den abzu­wen­den, emp­fiehlt sich für die so unfrei­wil­lig Grund­ver­sorg­ten eine Kulanz­re­ge­lung zum Wech­sel in das neue Sonderprodukt..

Ver­trags­en­de und Jahresverbrauchsabrechnung

Mit einem Blick in die Preis­ver­gleichs­por­ta­le wird auch deut­lich: Vie­le der Son­der­ver­trags­pro­duk­te sind mit Lauf­zeit­ende zum 31. Dezem­ber aus­ge­stat­tet. Bei Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men mit Stich­tags­ab­le­sung und Ver­brauchs­ab­rech­nung zum Jah­res­en­de kol­li­diert dann die Ablö­sung der aus­lau­fen­den Ver­trä­ge mit der Jah­res­ver­brauchs­ab­rech­nung: Zwei Auf­wands­spit­zen über­schnei­den sich.

Mit den Risi­ken vor­aus­schau­end planen

  • Ergeb­nis­stell­schrau­be „Cost-to-ser­ve“: Die Neu­auf­la­ge und das akti­ve Ablö­sen von aus­lau­fen­den Son­der­ver­trä­gen sind zusätz­li­che Arbeits­schrit­te. Für die Betreu­ung von Kun­den in nor­mier­ten Son­der­ver­trä­gen soll­te daher ein zusätz­li­cher Auf­wand kal­ku­liert werden.
  • Erst­ma­li­ge Nut­zer von lauf­zeit­ge­bun­de­nen Son­der­pro­duk­ten: Mar­kie­ren Sie die­se im Pro­duk­tiv­sys­tem oder CRM, damit die­se evtl. sepa­rat ange­spro­chen wer­den kön­nen. Rech­nen Sie hier mit mehr Rück­fra­gen und Aufwand.
  • Tren­nen der Auf­wands­spit­zen Jah­res­ver­brauchs­ab­rech­nung und Ablö­sen aus­lau­fen­der Ver­trä­ge, z.B. durch einen Wech­sel auf rol­lie­ren­de Able­sung (schwie­rig, wenn alle Spar­ten in einer Rech­nung zusam­men­ge­fasst wer­den sol­len) oder Ver­schie­ben der Lauf­zeit­enden auf einen vom Jah­res­en­de abwei­chen­den Termin.
  • Exter­ne Dienst­leis­ter kön­nen das Kun­den­zen­trum bei Eng­päs­sen unter­stüt­zen. Das will aber gut vor­be­rei­tet sein, damit das gewohn­te Betreu­ungs­ni­veau erhal­ten bleibt.

Die Ablö­sung der Son­der­ver­trä­ge ist einer der kri­ti­schen Punk­te im Kun­den-Lebens­zy­klus – orga­ni­sa­to­risch und unter den Gesichts­punk­ten der Betreu­ungs­kos­ten und des Ver­lust­ri­si­kos. Auch die Ver­trags­ab­lö­sung kann Kun­den „auf­we­cken“ und zu einem Preis­ver­gleich sen­si­bi­li­sie­ren. Ein 12- oder 24monatiger “Kün­di­gungs­schutz” ersetzt daher kei­ne akti­ve Beziehungspflege.

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